Tag 78 Politik und Kultur einer Mittelmeermetropole

Tarsos in Kilikien – heute vor allem bekannt als Geburtsstadt des Apostels Paulus – war eines der wichtigsten administrativen, politischen und kulturellen Zentren des antiken Kleinasiens. Die Metropole behauptete von der persischen Eroberung bis in die Spätantike unter immer wieder wechselnden politischen Bedingungen und Machtverhältnissen ihre Vorrangstellung im kompetitiven Konkurrenzgefüge der Städte Ostkilikiens um politische und wirtschaftliche Macht.

Die Via Tauri verband als einzige große Passstraße über das Taurusgebirge in Kilikien Syrien mit Zentralanatolien; dieser Zugang über die Kilikische Pforte wurde von Tarsos kontrolliert (Foto: Sophia Bönisch-Meyer, DAI)

Das Habilitationsprojekt an der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI  ist der Untersuchung dieses Phänomens und den ihm zugrundeliegenden Bedingungen gewidmet und greift dabei auch Fragen zur Entstehung und Ausformung lokaler städtischer Identität(en) und deren Rezeption auf. Dabei bietet besonders die umfangreiche Münzprägung von Tarsos wichtige Kenntnisse z. B. zu Kulten und Gründungsmythen der Stadt sowie zu den Strategien ihrer medialen Selbstdarstellung insgesamt.

Revers einer von Tarsos unter Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.) geprägten Silbermünze mit der sitzenden Tyche der Stadt mit Mauerkrone, Füllhorn und Palmzweig, die ihren Fuß auf den Flussgott Kydnos stellt (Münzsammlung des Kunsthistorischen Museums Wien, Objektnr. ID106454, CC BY-NC-SA 4.0; RPC III 3259)
British Museum Collection, Objektnr. L1899,01/02.81, CC BY-NC-SA 4.0; BMC 305

Der Philosoph und Redner Dion von Prusa, der die Stadt gegen Ende 1. Jh./Anfang 2. n. Chr. besuchte, erwähnt in einer dort öffentlich gehaltenen Rede, dass anlässlich von Kultfeierlichkeiten ein Scheiterhaufen für den in Tarsos verehrten Gott Sandan-Herakles errichtet wird (or. 33, 47). Rückseitendarstellungen von in Tarsos geprägten Münzen wie die oben abgebildete Bronzemünze aus der Regierungszeit des Kaisers Trajanus Decius (249–251 n. Chr.) zeigen diesen Scheiterhaufen in Form einer Pyramide, im Inneren ein Kultbild des auf einem Fabeltier stehenden Gottes (British Museum Collection, Objektnr. L1899,01/02.81, CC BY-NC-SA 4.0; BMC 305). Die Legende verweist u. a. in der abgekürzten Form AMK auf die Stadttitel πρώτη, μεγίστη, καλλίστη („erste, größte, schönste“), die Tarsos in der Kaiserzeit führte und die ihr Prestige herausstellen sollten.