Tag 104 Haltern, die deutsche “Archäologenschule”

Die Entdeckung römischer Funde und Lager an der Lippe in Westfalen, und insbesondere in Haltern 1899, spielen eine wichtige Rolle in der Geschichte der Römisch-Germanischen Kommission. Die Halterner Funde wurden weit über Westfalen heraus bekannt und von Alexander Conze genutzt, um die Gründung der RGK (s. Blogpost Tag 90 Die Römisch-Germanische Kommission) voranzutreiben. Das Lippeufer bei Haltern wurde noch im Herbst 1899 untersucht, und die Funde 1901 publiziert (https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/periodical/structure/1269008). Die Liste der Hauptautoren dieses Berichts spiegelt die Rolle Halterns für das junge Institut wieder: mit Friedrich Koepp, Georg Loeschke, Emil Ritterling und Carl Schuchhardt waren zwei Gründungsmitglieder und zwei spätere Direktoren der RGK beteiligt.

Hans Dragendorff und Friedrich Koepp über dem Profil eines Lagergrabens in Haltern, Westfalen. (Archiv RGK)

An der Lippe forschte die RGK auch in Oberaden und Kneblinghausen südlich von Lippstatt, ihr Hauptengagement galt jedoch Haltern. Hier arbeitete in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts der Erste Direktor, Hans Dragendorff (1870–1941) [https://sempub.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum_vitae/de/wisski/navigate/2942/view], über mehrere Jahre hinweg selbst; die RGK führte bis 1912/1913 vor Ort Ausgrabungen durch, deren Ergebnisse in einem Bericht des neuen Direktors, Friedrich Koepp (1860–1944), vorgelegt wurden. Hans Dragendorff selbst publizierte drei große Aufsätze zur Erforschung der Römerzeit in Deutschland, in denen er die Arbeit an der Lippe und insbesondere in Haltern zusammenfasste. In den gut zehn Jahren Ausgrabungstätigkeit in Haltern konnten gleich mehrere römische Lager, das „Uferkastell“ und ein „Anlegeplatz“ untersucht werden.

Plan der Römerlager in Haltern aus dem Ausgrabungsbericht der Kampagne 1909 (F. Koepp, Ausgrabungsbericht Haltern 1909, Römisch-Germanisches Korrespondenzblatt II, 1909 Nr.6, Abb. 28)

In Haltern setzte die RGK neue Standards in der Grabungstechnik und im Umgang mit Erdbefunden und Bodenverfärbungen, denn der feste gelbe Sandboden mit den sich meist kräftig dunkel abzeichnenden Spuren bot diesbezüglich beste Voraussetzungen – Haltern wurde lange auch als deutsche „Archäologenschule“ bezeichnet und kann als ein zentraler Lernort für die Dokumentation von Pfostenlöchern gelten. Auch für die Vorlage von Keramik, insbesondere Terra Sigillata, und Münzen wurden hier Maßstäbe gesetzt, die über Jahrzehnte hinweg die Erforschung der römischen Provinzen bestimmten. Noch immer sind die Publikationen der Lippelager zentral für die Datierung augusteischer Fundkomplexe im ganzen Römischen Reich.

Für die RGK etablierte sich so ein Forschungsschwerpunkt zur frühen Römerzeit und insbesondere der sog. Augusteischen Okkupation. Mit den Arbeiten in Waldgirmes wurde dieser Fokus wieder aufgegriffen. Auch an der Donau forscht die RGK zu diesem Themenbereich. So werden in Frankfurt am Main in langer Tradition übergreifende Fragestellungen zur frühen Entwicklung römischer Grenzgebiete erarbeitet.