FORSCHUNG

Eurasien, die größte zusammenhängende Landmasse der Welt ist ein Raum von historisch überragender Bedeutung, dessen Kommunikationsachse immer durch ost-west verlaufende Verkehrswege geprägt war. Hier entstanden die ersten Ackerbaukulturen und die ersten Staaten, hier prägten jedoch auch nomadische Kulturen über Jahrtausende die geschichtliche Dynamik. In vielen Aspekten ist Eurasien archäologisch jedoch noch immer eine terra incognita.

Das riesige Arbeitsgebiet bietet die besondere Chance, (prä)historische Prozesse in Raum und Zeit zusammenhängend zu erforschen. Dies ermöglicht die langfristige Untersuchung sich wandelnder Klima- und Umweltbedingungen und ihrer Folgen für die Gesellschaften. Die Archäologie bildet heute eine wichtige Schnittstelle zwischen den Geistes- und den Naturwissenschaften. So ist für alle Forschungen der Eurasien-Abteilung die enge Einbeziehung bioarchäologischer Methoden, materialkundlicher Analysen, geowissenschaftlicher Untersuchungen und naturwissenschaftlicher Datierungsmethoden kennzeichnend. Die Rekonstruktion sozialer Prozesse ist nur im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der damaligen Landschaft und den anthropogenen Eingriffen in die Umwelt möglich.

In der Forschung der Eurasien-Abteilung spielen technische und soziale Innovationsprozesse und ihre Diffusion eine grundlegende Rolle, sei es im Zuge der Ausbreitung der bäuerlichen Lebensweise, der Verbreitung metallurgischen Wissens oder des Wissenstransfers im Zuge der griechischen Kolonisation im nördlichen Schwarzmeerraum und später der Hellenisierung des mittelasiatischen Ostens sowie die Interaktion zwischen Steppe und staatlichen Zentren. Ein hot spot der Forschung ist gegenwärtig die Frage umfangreicher Migrationsbewegungen in der Bronzezeit.

Die meisten technischen und sozialen Umbrüche in Prähistorie bzw. der Frühgeschichte hatten Konsequenzen für große Teile Eurasiens. Gegenüber anderen Kontinenten ist es für die technischen Innovationen im eurasischen Raum kennzeichnend, dass sie durch einen relativ raschen Wissenstransfer über große Teile des Doppelkontinents verbreitet wurden. Dies hängt unter anderem mit einer besonderen Form mobiler Lebensweise zusammen, die im späten 4. Jahrtausend v. Chr. in der Steppe entstand.

Eurasien durchlief ein intensiver Ideen- und Technologieaustausch, durch den Fundamente für Technikentwicklungen gelegt wurden, die bis in das 19. Jahrhundert den Lebensalltag der Menschen prägten, und die erst durch die moderne Industrie ersetzt wurden. Hierfür ist der Digitale Atlas der Innovationen entwickelt worden, eine neuartige zeitgemäße Form archäologische, technik- und wissensgeschichtliche Daten und Forschungsergebnisse digital zu publizieren, zu visualisieren und sowohl der Forschung als auch der Öffentlichkeit zur Weiternutzung zur Verfügung zu stellen.