Mehr als nur ein Haufen Steine – Die Forschungen der RGK in Vrana

von Gabriele Rasbach, Roman Scholz und Judith Ley

Im Rahmen unseres Projektes „Besiedlung, Raumerschließung und -nutzung von der Eisenzeit bis in die Spätantike am Vrana-See“, das im Forschungsplan der RGK unter den Forschungen zu „Siedlungsdynamiken und Sozialstrukturen“ angesiedelt ist, konnten wir in diesem Jahr unsere Untersuchungen an einer eisenzeitlichen Höhensiedlung im Hinterland des Vrana-Sees fortführen. Neben der Ausgrabung einer Pforte setzten wir die systematische Aufnahme der erkennbaren Mauerstrukturen fort. Die Bauaufnahmen wurden wieder zusammen mit Judith Ley durchgeführt, die im Rahmen eines Forschungsstipendiums des DAIs an der Unternehmung teilnahm.

Die Ausgrabungen an der bis zu 3,80 m breiten Umwehrungsmauer galten einem Durchgang und fanden im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit Kolleginnen und Kollegen des Museums Biograd, der Universität Zadar und der Technischen Universität in Darmstadt statt. Ziel der Unternehmung ist es, für die Region um Vrana eine landschaftsarchäologische Aufnahme durchzuführen (siehe Forscungsplan). Auf die bisher nur wenig beachtete Fundstelle im Hinterland von Vrana hatten uns unsere Partner des Museums Biograd aufmerksam gemacht. Nach den schwierigen Zeiten der Pandemie konnten wir 2021 endlich vom 12.10 bis zum 30.10. eine erste archäologische Ausgrabung durchführen, maßgeblich unterstützt von Studierenden der Universität Zadar.

Der Fundplatz liegt im Hinterland des Vranasees und war wohl von der Eisenzeit bis in römische Zeit besiedelt. Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. errichteten die Römer entlang der östlichen Adriaküste eine Kette von befestigten Hafenstädten, die teils auf älteren griechischen Kolonien des 7./6. Jahrhunderts v. Chr. gründeten (z. B. Tragyrion, Epidauros). Im Umland dieser Städte gibt es einzelne uns bekannte römische Villen. Die ältere, einheimische Bevölkerung wohnte in befestigten Höhensiedlungen, so auch der Stamm der Liburner, in dessen vermutetem Territorium der untersuchte Fundort liegt. Bisher wurden jedoch nur an wenigen dieser Höhensiedlungen systematische Untersuchungen durchgeführt.

Die Bauaufnahme läuft zeitgleich zur Grabung an einem der Zugänge zur Höhensiedlung. Hier arbeiten die Kolleginnen und Kollegen der Universität Zadar, des Museums Biograd, der TU Darmstadt und der RGK eng zusammen [Attribution: R. Scholz; Copyright: RGK]

Um den weitläufigen und unübersichtlichen Fundplatz zu erschließen, wurde in diesem Jahr auch die 2019 an der Umwehrung begonnene systematische Bauaufnahme der oberflächlich sichtbaren Baustrukturen im Siedlungsinneren fortgesetzt. Dazu wurden bei Begehungen der Siedlung Züge der bis zu 3,80 m breiten Befestigungsmauer und ca. ein Drittel der sehr dichten Hausbebauung in einen Stadtplan eingemessen. Die aus dem lokalen Karstgestein errichteten Trockenmauern haben sich im Lauf der Jahrhunderte teilweise in riesige Schuttberge verwandelt. In den zudem durch Macchia bewachsenen Flächen sind die Mauerzüge nur mit einem geübten Auge zu erkennen. Zusammen mit Luftbildern und einem eigens erstellten 3D-Modell werden die Ergebnisse dieser Untersuchungen nun durch Judith Ley, Gabriele Rasbach und Roman Scholz weiter ausgewertet.

Parallel zur Planaufnahme der Siedlung wurde an deren Außenmauer einer der ursprünglichen Durchgänge durch eine Sondage untersucht. Die im Laufe seiner Nutzung irgendwann verschlossene Pforte weist Spuren einer plötzlichen Zerstörung auf. Über die Ursachen kann bislang nur spekuliert werden, vielleicht handelte es sich um ein Erdbeben. Die vielen Funde, vor allem Keramik und Tierknochen mit Zerteil- und Brandspuren, werden uns dabei helfen, die Ereignisse näher zeitlich einzuordnen und besser zu verstehen – und nebenbei werden wir noch etwas über den Speiseplan der Einwohner erfahren.

Blick aus der Vogelperspektive auf die Siedlung. Vor ihrer Aufgabe beherrschte die massiv befestigte Stadt das gesamt Tal am Vrana-See. [Attribution: R. Scholz; Copyright: RGK ]

Wir danken allen Beteiligten, ganz besonders unseren Partnern vom Museum in Biograd und der Universität Zadar, für die gute Zusammenarbeit und freuen uns auf eine Fortsetzung der Untersuchungen im kommenden Jahr.