Das Bildprogramm eines Dienstgebäudes

von Susanne Grunwald

Seit 1956 begrüßen wilde Tiere und ein römischer Kaiser die Besucherinnen und Besucher des Dienstgebäudes der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt. Das moderne Mosaik zu beiden Seiten des Haupteinganges in der Palmengartenstrasse schmückt nicht nur das Haus, sondern verweist auch dezent auf die breite inhaltliche Ausrichtung der RGK seit ihrer Gründung vor über 120 Jahren. 

Im Jahr 1949 wurde beschlossen, dass das kriegsbeschädigte Dienstgebäude der RGK durch einen Neubau ersetzt werden sollte. Umfangreiche Archivalien erlauben es, den Planungs- und Bauprozess zur rekonstruieren. Verantwortlich für den Neubau waren der damalige Erste Direktor der RGK Gerhard Bersu, verschiedene städtische Beamte und der Architekt Georg Siegler, der bereits mehrfach mit dem DAI zusammengearbeitet hatte. Die überlieferte Korrespondenz vermittelt die buchstäblich konstruktiven, aber auch langwierigen Verhandlungen um diesen Bau, aber auch die Vorstellungen darüber, wie modernes wissenschaftliches Arbeiten in den 1950er Jahren entworfen wurde. So sollte die Funktion der RGK als Mittlerin zwischen den verschiedenen deutschen und europäischen Institutionen zur archäologischen Forschung und Denkmalpflege ihren architektonischen Ausdruck finden in großzügigen Bibliotheks- und Vortragsräumen und einem einladenden Eingangsbereich.

Das Institutsgebäude 1956 (Foto: Unbekannt, DAI-RGK)
Eingangsbereich zur Römisch-Germanischen Kommission (Foto: M. Adam, RGK)

Im Mai 1955 wurde mit dem Neubau des Hauses Palmengartenstrasse 10-12 begonnen. Über die Gestaltung des Eingangs entschieden Bersu und Siegler erst 14 Monate später. Siegler entwarf ein großflächiges Mosaik für beide Seiten des vorspringenden Eingangs. Es sollte unzusammenhängende Bildzitate berühmter archäologischer Funde wie Münzen, Gefäße, Waffen und einzelner Gegenstände zeigen. Siegler lieh sich zahlreiche Bücher aus den Bibliotheksbeständen der RGK aus und entwickelte mehrere Vorschläge für einzelne Motive, die er mit Bersu überwiegend im persönlichen Gespräch diskutierte. Die wenigen einschlägigen Briefe zeigen, dass die Darstellungen dem räumlichen und zeitlichen Arbeitsrahmen der RGK entsprechen sollten. So wurde damals z. B. die Idee, Bildzitate vom Mantel des Heiligen Albuin von Brixen wiederzugeben, verworfen, da das Gewand aus der Zeit um 1000 doch zu jung sei für das Arbeitsgebiet der RGK.

Der Hirsch auf der rechten Seite (Foto: M. Adam, RGK)
Die Sonnenbarke auf der linken Seite (Foto: M. Adam, RGK)

Vierzehn Tage vor der feierlichen Eröffnung des Neubaus Ende Oktober 1956 wurde das Mosaik durch eine Stuttgarter Firma für Bildhauerei und Stuck fertiggestellt. Seitdem werden die Besucherinnen und Besucher der RGK von einem Mosaik begrüßt, dass die Epochen und Gebiete repräsentiert, zu denen in der RGK bis heute geforscht wird. Auf der linken Seite ist der Adler einer spätantiken Adlerfibel aus dem italienischen Cesana groß ausgeführt. Darunter rahmt der Wortlaut DIVVS AVGVSTVS das Profil des Kaisers Augustus; eine von unzähligen Münzen dieses Herrschers diente dafür als Vorlage. Unten fährt schließlich eine sog. Sonnenbarke nach dem Vorbild zahlreicher bronzezeitlicher Felszeichnungen Skandinaviens und Rasiermesserverzierungen. Auf der rechten Seite ist der prächtige Aufsatz einer Signumlanze der beneficiarii consularis dargestellt, darunter rennt ein schlanker Hund. Sein Vorbild ziert als kleine vollplastische Figur die Henkel zweier eisenzeitlichen Schnabelkanne von Basse-Yutz, die als Glanzstücke der latènzeitlichen Kunst heute im Britischen Museum in London zu bewundern sind. Dem Hund folgt unten ein Hirsch, wie ihn ein Tierfries auf der Bronzekanne aus dem sog. Fürstengrab von Rodenbach zeigt. Über beide dunkle Mosaikflächen scheinen kleine goldene Blumen gestreut. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um stilisierte frühmittelalterliche Scheibenfibeln, für die zahlreiche Beispiele überliefert sind.

Adler mit Schriftzug auf der linken Seite (Foro: M. Adam, RGK)
Lanzenspitze mit Hund und Hirsch auf der rechten Seite (Foto: M. Adam, RGK)

Das Bildprogramm endet auf der Rückseite der rechten Fläche mit einem Vogel oder einer kleinen Ente im oberen Feld, für die wahrscheinlich die Enten auf den Ausgüssen der erwähnten Schnabelkannen Pate standen. Solche Wasservögel waren seit der Bronzezeit ein wiederkehrendes Motiv auf Gefäßen, Waffen und Werkzeugen. In Frankfurt finden sie ihre ganz reale Entsprechung in den zahlreichen Enten, welche die Grünfläche in der Palmengartenstrasse und den angrenzenden Botanischen Garten bevölkern.

Die Ente (Foto: M. Adam, RGK)