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by Emma Gronwold, Luca Pech, and Berglind Hatje
Die diesjährige Kampagne in Pergamon fand von Mitte Juli bis Mitte Oktober statt. In diesem Zeitraum waren zahlreiche Projekte aktiv – darunter Summerschools, Dissertationsvorhaben, die Bauaufnahme verschiedener Gebäude, die Ausgrabungen auf dem Stadtberg sowie Survey-, geophysikalische und geographische Untersuchungen im Umland der antiken Stadt.
Drei Studierende der Universität Leipzig berichten von ihren Erfahrungen:
Aus der Fundbearbeitung erzählt Emma Gronwold, die als Bachelorstudentin sechs Wochen vor Ort war; von der Ausgrabung berichtet Luca Pech, ebenfalls Bachelorstudent, der acht Wochen als Schnittleiter tätig war; und Berglind Hatje, Doktorandin im Surveyprojekt, gibt Einblicke in ihre Arbeiten im Rahmen des Projekts.
Pergamenische Keramik – Sechs Wochen in der Fundbearbeitung
Während meiner Zeit in Pergamon war ich in der Fundbearbeitung tätig. Ziel dieser Arbeit ist es, die Keramik aus den Ausgrabungen zu dokumentieren, um anschließend Aussagen über Funktion, Datierung und gegebenenfalls Herkunft treffen zu können.

Zum Einstieg fand in den ersten zwei Wochen ein Workshop zur Fundbearbeitung statt, organisiert von Anneke Keweloh-Kaletta. Gemeinsam mit zwei türkischen Studierenden und Berglind erhielt ich eine Einführung in die Abläufe der Fundbearbeitung, die Bearbeitung pergamenischer Keramik, die Nutzung der Datenbank und die Archivierung. Neben dem Zeichnen von Keramik, teilweise mithilfe eines laser aided profilers (Abb. 1), standen Datierungsmerkmale, Fabrikate und Funktionen im Mittelpunkt. Auch laufende Projekte wurden vorgestellt. Der Workshop endete mit dem eigenständigen Auslegen und der Dokumentation von Grabungsbefunden.
Abb. 1 Laser aided profiler beim Scannen einer Keramikscherbe
In den verbleibenden vier Wochen gehörte das Auslegen und Bearbeiten der Funde einer abgeschlossenen Sondage zu meinen Hauptaufgaben (Abb. 2). Darüber hinaus war ich an ganz unterschiedlichen Tätigkeiten beteiligt: von Umräumarbeiten in Depots über das Inventarisieren von Kleinfunden und die Annahme von Kisten aus der Grabung bis hin zum Zeichnen vollständig erhaltener Objekte, die später an das Museum von Bergama übergeben werden sollten. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was ich in dieser Zeit erlebt und gelernt habe.
Auch wenn die ersten zwei Wochen mit Temperaturen von über 40 °C eine echte Herausforderung waren, möchte ich die Zeit in der Türkei keinesfalls missen. Ich habe auf der Grabung in Pergamon mehr gelernt, als es in einem Seminar möglich wäre.
Emma Gronwold

Pergamongrabung 2025 – Arbeiten am Bau AE
Im Sommer 2025 war ich acht Wochen lang als Schnittleiter im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts TransPergMikro an der Pergamongrabung des Deutschen Archäologischen Instituts in Bergama (Türkei) tätig. Gemeinsam mit elf türkischen Arbeiter:innen setzten wir die Ausgrabungen am sogenannten Bau AE fort (Abb. 3) – einem großflächigen Komplex am Südosthang des antiken Stadtbergs zwischen Gymnasion und Unterer Agora. Der Bau liegt unmittelbar oberhalb der modernen Stadt und ist Teil einer monumentalen Hangbebauung, deren Erforschung seit einigen Jahren neue Erkenntnisse zur Stadtstruktur bis in die Spätantike und zur Veränderung der Wohnkultur liefert.
Zu Beginn der Kampagne wurde die rund 420 m² große Grabungsfläche durch den Abtrag des Oberbodens vollständig geöffnet. Anschließend legten wir sieben Sondagen an, um die komplexe Stratigraphie und Bauabfolge zu erfassen. Aufgrund der fortschreitenden Hangerosion arbeiteten wir dabei über weite Strecken direkt innerhalb der antiken Substruktionen – ein Umstand, der die Arbeiten technisch wie logistisch anspruchsvoll machte.
Deutlich wurde, dass Bau AE Teil eines großdimensionierten Hanghauses war, das in enger Beziehung zu einem unmittelbar südlich anschließenden, überwölbten Thermenbau steht, der in den vergangenen Jahren untersucht wurde. Die Verbindung beider Komplexe war eine der zentralen Fragestellungen der diesjährigen Kampagne, konnte bislang jedoch nicht abschließend geklärt werden – insbesondere die Frage, ob beide Bauten gleichzeitig errichtet und genutzt wurden.
Mindestens zwei Bauphasen lassen sich in Bau AE klar unterscheiden: eine späthellenistische Phase, in der die ersten Mauern direkt auf dem anstehenden Fels errichtet wurden, und eine hochkaiserzeitliche bis spätantike Ausbauphase, in der ältere Strukturen in den Fundamentbereich neuer Bauteile integriert wurden – möglicherweise im Zuge von Wiederaufbauarbeiten nach einem Erdbeben oder einer Zerstörung. Der jüngere Ausbau zeigt sich in massiven, zweischaligen Mauern mit Ziegeldurchschuss, neuen Bodenaufbauten und zahlreichen architektonischen Veränderungen.
Der freigelegte Gebäudebereich lässt ein luxuriöses Wohnhaus mit axial-symmetrischem Peristylhof im Grundriss erkennen. Seine Ausstattung war von hoher Qualität: Fragmente von Marmordekor, Reste von Wandmalerei, Spuren von Wandinkrustationen sowie Hinweise auf Mosaikfußböden und eine private Badeeinrichtung belegen den repräsentativen Charakter des Baus. Damit zeichnet sich das Bild eines aufwändig gestalteten, mehrgeschossigen Hanghauses ab, das die architektonische Vielfalt und den gehobenen Lebensstil im römischen Pergamon eindrucksvoll widerspiegelt.
Die Grabung erforderte neben klassischer Handarbeit ein hohes Maß an technischer Präzision. Die Vermessung mit Totalstation, die 3D-Dokumentation mittels Structure-from-Motion und die fortlaufende digitale Befundaufnahme in der Grabungsdatenbank gehörten ebenso zum Arbeitsalltag wie das sorgfältige Beobachten der teils instabilen Hangschichten.
Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen prägte vor allem die enge Zusammenarbeit im deutsch-türkischen Team den Grabungsalltag (Abb. 4). Die gemeinsame Arbeit, der Austausch über Methoden und Funde sowie das Leben in Bergama boten einen eindrucksvollen Einblick in die Praxis groß angelegter Feldforschung – und in das reiche kulturelle Umfeld, das die Grabung seit über einem Jahrhundert begleitet.
Luca Pech


Die Siedlungsgeschichte der Mikroregion Pergamon – Einblick in die Arbeit des Surveys
Nach dem Fundbearbeitungsworkshop zu Beginn der Kampagne nahm ich von August bis Mitte September acht Wochen lang an meiner dritten Surveykampagne im Umland von Pergamon teil (Abb. 5). Survey bezeichnet in der Archäologie die systematische Geländeerkundung und Dokumentation von Oberflächenfunden mit dem Ziel, die Siedlungsgeschichte einer Region zu erfassen. Der Survey ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts TransPergMikro. Im Rahmen dieses Projekts schreibe ich meine Dissertation zur Siedlungsgeschichte der Mikroregion Pergamon.
Der Ablauf eines Surveys variiert von Ort zu Ort. Hinweise auf Fundstellen stammen aus Reiseberichten des 19. Jahrhunderts, aus vom Museum Bergama markierten Schutzgebieten oder aus Zufallsfunden. Am häufigsten erfahren wir jedoch bei einem Tee mit Dorfbewohner:innen von möglichen Fundstellen. Das Vorgehen vor Ort ist dann meist ähnlich, wird aber stets an die landschaftlichen Bedingungen angepasst: Zunächst erfolgt eine erste Begehung, bei der nach Keramik, Baumaterialien oder anderen Spuren menschlicher Tätigkeit gesucht wird.
Bei gut begehbarem Terrain wird anschließend eine intensive Begehung durchgeführt. Dabei stellt sich das Team in 2,5 m Abstand in einer Linie auf und dokumentiert die Oberflächenfunde mit Tablets. In steilem, stark bewachsenem oder anderweitig schwierigem Gelände erfolgt eine extensive Begehung, bei der kleinere Gruppen so viel Fläche wie möglich erkunden.
Die Funde reichen von Fragmenten aufwendig dekorierter Marmorarchitektur über Keramik, die zum Kochen, Essen und Trinken diente, bis hin zu vereinzelten Schmuckstücken. Im Grabungshaus werden sie anschließend in der Fundbearbeitung weiterbearbeitet. Steinfunde und Befunde – etwa Mauerreste, Felsgräber oder ganze Tumuli (Hügelgräber) – werden dagegen direkt im Feld von Vegetation befreit und dokumentiert (Abb. 6), eine Aufgabe, die ich mir mit einer Kollegin von der Universität Köln teile.
Im Feld entstehen Vermessungen, Befundfotos, Structure-from-Motion-Aufnahmen (SfM) zur Erstellung von 3D-Modellen, Zeichnungen und Beschreibungen. Das Übertragen der Felddaten in die Datenbank erfolgt anschließend im Grabungshaus.
Abgesehen davon, dass eine gewisse Grundfitness Voraussetzung ist, bietet der Survey eine einzigartige Gelegenheit, ein Gefühl für den antiken Siedlungsraum jenseits der großen Städte zu bekommen. Man bekommt eine Vorstellung davon, welche Mühen Menschen in der Antike auf sich nahmen, um auf exponierten Höhen Wachposten zu errichten oder auf kleinen Plateaus Häuser zu bauen und die fruchtbaren Berghänge für den Weinanbau zu nutzen.
Zugleich lernen wir die heutige türkische Kultur aus einer ganz anderen Perspektive kennen – beim gemeinsamen Tee mit Dorfbewohner:innen, bei Begegnungen im Gelände und durch die herzliche Gastfreundschaft, die uns überall begegnet. Das Team aus türkischen und deutschen Kolleg:innen arbeitet eng zusammen, und trotz der intensiven wissenschaftlichen Arbeit prägen Humor und Zusammenhalt den Alltag. In dieser Atmosphäre sind viele Freundschaften entstanden, die die Vorfreude auf die nächste Kampagne umso größer machen.
Berglind Hatje


Hinweis: Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form auch im Berichtsblatt „Leipziger*innen unterwegs“ (Ausgabe 2, Sommer–Herbst 2025) des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Leipzig erschienen. Zum Artikel
