Pergamon 2021: Erste Ergebnisse der diesjährigen Arbeiten

Noch im vergangen Jahr hatten wir gehofft, dass die Corona-Pandemie bereits 2021 soweit überwunden sei, dass die `Neue Normalität´ wieder unserem üblichen Grabungsalltag weichen würde. Auch wenn so viel Optimismus enttäuscht wurde, konnten wird dank eines bewährten Hygienekonzeptes, des Impffortschritts in Deutschland und der Türkei sowie der Verfügbarkeit von Schnelltests die diesjährigen Arbeiten bereits im Juni aufnehmen.

Während einer dreiwöchigen Vorkampagne wurden die Reste eines spätrömischen Peristylhauses mit Fußbodenmosaiken detailliert dokumentiert (Abb. 1). Das Gebäude war erst vor wenigen Monaten östlich der Roten Halle bei bauvorbereitenden Ausgrabungen für das neue Museum entdeckt worden. Für unsere Kenntnis der Siedlungstopographie und -geschichte der römischen Unterstadt ist es ein Schlüsselbefund und wir sind dem Museum Bergama sehr zu Dank verpflichtet, dass wir das Gebäude mit in unsere Untersuchungen einbeziehen können. Neue Erkenntnisse zur spätantiken Siedlungsgeschichte Pergamons erwarten wir uns auch von der Untersuchung der so genannten Gotenmauer. Bei ihrer Erbauung wurde eine öffentliche Latrine unbrauchbar gemacht (Abb. 2). Die gezielte Verfüllung der Abwasserkanäle mit großen Mengen von keramischem Hausrat könnte wichtige Anhaltspunkte für die Datierung der Befestigungsanlage liefern.


 

An die westlichen Ausläufer der römischen Stadt grenzt eine ausgedehnte Nekropole an, die beim Asklepieion-Survey 2020-21 im Rahmen des DFG-Langfristprojektes TransPergMikro erstmalig erfasst wurde. Besondere Aufmerksamkeit hat ein römischer Grabbau erregt, da sein Inhaber anhand einer Inschrift als Augur, der den Willen der Götter aus dem Flug der Vögel zu ergründen suchte, identifiziert werden konnte. Die durch Raubgrabungen mehrfach gestörte Anlage wird nun erstmals vollständig untersucht (Abb. 3). Erste Beobachtungen lassen trotz der Plünderungen neue Erkenntnisse zur antiken Funeralkultur – und vielleicht auch zum Auguren selbst – erwarten.

Ganz in der Nähe findet die vorerst letzte Arbeitskampagne im Amphitheater von Pergamon statt. Neben dem Abschluss der Bauaufnahme sollen mehrere Sondagen insbesondere den Aufbau und die Gestaltung der Sitzstufen in der vollständig erhaltenen östlichen cavea klären (Abb. 4). Dort erhoffen wir uns zudem weiteres Fundmaterial für die Datierung des Bauwerks. Ein weiteres Projekt der Bauforschung im Rahmen von TransPergMikro widmet sich dem so genannten Westlichen Unteren Gymnasion (Abb. 5), einem kaiserzeitlichen Großbau, der das Bild des Stadtberges in römischer Zeit mitgeprägt hat und zugleich eine städtebauliche Verbindung zu dem neuen Ensemble aus Theater, Amphitheater und Stadion in der Unterstadt herstellte.

Ein weitere römische Anlage, der die diesjährigen Arbeiten gelten, liegt schon außerhalb der Unterstadt. Das Thermalbad mit dem modernen Namen „Kleopatra Hamamı“ nutzte eine bis in die 1980er-Jahre hinein schüttende heiße Quelle, um unweit des Asklepios-Heiligtums therapeutische Badefreuden zu bieten. Das Kooperationsprojekt der Universität Kiel mit dem Architekturreferat der Zentrale und der Pergamongrabung des DAI soll ebenfalls in dieser Kampagne abgeschlossen werden (Abb. 6). Für die großzügige finanzielle Unterstützung sind wir der Gerda Henkel Stiftung sehr zu Dank verpflichtet.


 

Als besonders ertragreich hat sich schon nach wenigen Wochen der Umland-Survey im Rahmen von TransPergMikro erwiesen, der in diesem Jahr die Übergangszone zwischen den Ausläufern der Kara Dağ (Kane)-Halbinsel und der westlichen unteren Ebene des Bakırçay (Kaikos) ins Auge gefasst hat. Neben einer wohl achaimenidischen-hellenistischen Festung (Abb. 7), in der sich sogar das Badezimmer in Felsabarbeitungen erhalten hat, konnte ein befestigter Siedlungsplatz mit mutmaßlichem Grenzstein dokumentiert werden (Abb. 8). Beide Anlagen sind Teil eines zusammenhängenden Siedlungs- und Nutzungsgefüges in der Landschaft, das auch eine Straße, Quellen, mindestens zwei Grabhügel und weitere kleinere Siedlungsplätze von der Bronzezeit bis in die osmanische Zeit umfasst.


 

Zu den genannten Arbeiten kommen weitere Projektbestandteile wie z. B. die Fundbearbeitung (Abb. 9) hinzu, die trotz der erschwerten Arbeitsbedingungen in der Pandemie weitergeführt werden müssen. Dies gilt insbesondere für die Baudenkmalpflege, die in dieser Kampagne unter anderem eine vom Einsturz bedrohte Mauer an der hellenistischen Theaterterrasse konsolidiert (Abb. 10). Gleichzeitig wird die Ausbildung von Steinmetzen fortgesetzt (Abb. 11). Andere Teilprojekte, wie z. B. die Geophysik oder die Physische Geographie, haben ihre Tätigkeiten noch gar nicht aufgenommen, während Epigraphik und Paläoanthropologie schon abgeschlossen sind bzw. kurz vor dem Abschluss stehen. Um die Personendichte im Grabungshaus zu entzerren, sollen die diesjährigen Arbeiten des deutsch-türkischen Teams (Abb. 12) bis in den November hinein andauern.


 

Wir sind optimistisch, an dieser Stelle noch über weitere Entdeckungen und neue Erkenntnisse der diesjährigen Kampagne der Pergamongrabung berichten zu können!

 


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