Das Projekt „Silk Road Fashion Road“

ist ein Forschungsprojekt der Außenstelle Peking der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts im Verbund mit zahlreichen Institutionen weltweit. Im Zentrum der Forschung stehen Kleidung und Ausstattungen vor 3000 bis 1000 Jahren in Ostasien. Von 2013 bis 2016 wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Ausschreibung „Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“ gefördert.

Wer einmal in Museen Westchinas die vor Jahrtausenden verstorbenen Bewohner des Tarim-Beckens gesehen hat, vergisst sie nicht mehr. Extreme Trockenheit bewahrte sie und ihre Habe vor Verwesung und Verlust.

Fundplatz Yanghai, Turfan, Autonome Region der Uiguren Xinjiang, VR China (Foto: M. Wagner)
Fundplatz Yanghai, Turfan, Autonome Region der Uiguren Xinjiang, VR China (Foto: M. Wagner)

Beabsichtigt war die Mumifizierung nicht, deshalb waren sie weder einbalsamiert, noch mit Bandagen umwickelt oder in Tücher geschnürt wie in Ägypten. Die Trauergemeinde hatte sie eingekleidet und frisch frisiert zur letzten Ruhe gebettet und mit Dingen versehen ins Grab gelegt, die uns heute noch nützlich und wertvoll vorkommen. Je genauer wir die Eigenschaften und Wirkungen der Dinge analysieren, desto besser können wir verstehen, was sie für die Menschen damals bedeuteten. Auch ihre Kleidung blieb erhalten. Weil Kleider Leute machen und viele persönliche Eigenheiten zeigen, ist der Eindruck besonders stark, hier den Leuten aus einer längst vergangenen Zeit wirklich zu begegnen. Es scheint, als brauchte man sie nur zu wecken.

Mann aus Yanghai Grab M21 und die Reproduktion seiner Kleidung (Fotos: Museum Turfan, Jan O. Evers)

Seit ihrer Entdeckung zuerst durch europäische Forschungsreisende vor hundert Jahren, aber vor allem seit Beginn der wissenschaftlichen Untersuchung des kulturellen Erbes in Xinjiang durch Archäologen der VR China bemühen sich Fachleute verschiedener Disziplinen darum, das Leben der ersten Bewohner des Tarim-Beckens mit allem Drum und Dran zu rekonstruieren. Wann und wo genau haben sie gelebt? In Städten an den Flussläufen in der Ebene? In den umliegenden Bergen des Tian Shan und Kunlun Shan? In Oasen? Was haben sie gegessen? Waren sie Jäger und Sammler? Sesshafte Bauern oder Nomaden? Vielleicht Händler? Woher kamen sie? Wie eng bekannt waren sie mit ihren Nachbarn im Altai-Gebirge, am Gelben Fluss, im Siebenstromland, am Indus und auf dem Tibet-Plateau?

Sie haben nichts aufgeschrieben, keine Texte hinterlassen, in denen wir all das nachlesen könnten, denn sie hatten keine Schrift. Wie bei allen schriftlosen Völkern kommt es vor allem auf die Archäologie in Kooperation mit anderen Disziplinen und deren technischen Möglichkeiten an, von Objekten und Spuren an Fundplätzen die gesuchten Informationen abzulesen und zu erschließen.

Interview mit Projektleiterin Prof. Dr. Mayke Wagner, 2019

Die Kleidungsproduktion in Ostasien und angrenzenden Regionen mit ihren verschiedenen Aspekten: Klima, Ressourcen und Technologien im Wandel von zweitausend Jahren ist Gegenstand dieses Projekts. Hauptziel ist die Erschließung von Technikwissen durch Reverse Engineering, d.h. Auswertung und Überprüfung der erhobenen Messdaten von archäologischen Kleidungsfunden in Xinjiang durch 1:1 Rekonstruktion der Originale. Vor allem interessieren uns die Techniken der textilen Flächenkonstruktion, Verfügbarkeit und Auswahl von Rohmaterial sowie die Prozesse der Weitergabe von Wissen und Produkten. Als Ergebnis streben wir die Rekonstruktion vollständiger Ausstattungen einzelner Personen an, um in Tragetests die Funktionalität von Kleidung am Körper in Bewegung und ihre ästhetische Gesamtwirkung zu überprüfen.

Scheren der Wolle und Spinnen des Garns für die Reproduktion der Hose aus Yanghai Grab M21 (Fotos: D. Hosner, D. Schuster; links: Schafzüchterin Katja Behling, Skuddenhof Weseram, rechts: Dendrochronologe Dr. U. Heußner)
Scheren der Wolle und Spinnen des Garns für die Reproduktion der Hose aus Yanghai Grab M21 (Fotos: D. Hosner, D. Schuster; links: Schafzüchterin Katja Behling, Skuddenhof Weseram, rechts: Dendrochronologe Dr. U. Heußner)
Weben der drei Teile der Hose und Zusammennähen für die Reproduktion der Hose aus Yanghai Grab M21 (Foto links: D. Schuster, rechts: Standfoto aus Animationsfilm: A. Osorno; Textildesignerin: M. Hallgren-Brekenkamp, Schnittrekonstruktion: Dr. U. Beck)
Weben der drei Teile der Hose und Zusammennähen für die Reproduktion der Hose aus Yanghai Grab M21 (Foto links: D. Schuster, rechts: Standbild aus Animationsfilm: A. Osorno; Textildesignerin: M. Hallgren-Brekenkamp, Schnittrekonstruktion: Dr. U. Beck)

Kooperationspartner:

Naturwissenschaftliches Referat der Zentrale des DAI, Chinesische Akademie für Kulturerbe, Museum der Autonomen Region der Uiguren Xinjiang, Museen Turfan und Hami, Museum der Autonomen Region der Mongolen Innere Mongolei, Palastmuseum Peking, Museum of Ethnic Costumes – Beijing Institute of Fashion Technology, Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften (I. Elkina, A. Pakhunov), Eremitage Sankt Petersburg (S. Pankova), Nibutani Ainu Culture Museum, Japan, Freie Universität Berlin, Institut für Geologi­sche Wissenschaften (P. Tarasov), University of Nottingham Ningbo, VR China (T. Long) , Poznan Radiocarbon Laboratory (T. Goslar).

Ergebnisse der ersten Projektphase finden Sie hier:

Blogbeitrag:
(Teil 1) Silk Road Fashion: Kommunikation durch Kleidung des 1. Jahrtausends v. Chr. in Ostzentralasien Erste Projektphase mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2013-2016

Blogbeitrag: Die Erfindung der Hose
Podcast StoryQuarks Folge 11 – Hosen machen Leute
Link zum Film-Trailer „Die Erfindung der Hose“

AUTORINNEN
Mayke Wagner und Moa Hallgren-Brekenkamp