Ein Beitrag von Marian HeiĂ, entstanden im Rahmen des Fernpraktikums zur Ăffentlichkeitsarbeit des DAI im Mai/Juni 2020
Nördlich der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica liegen die Ruinen der antiken römischen Stadt Duklja/ Dolcea. Das Deutsche ArchĂ€ologische Institut wurde im Jahr 2019 eingeladen zusammen mit dem Center for Conservation and Archaeology of Montenegro in Cetinje eine zweiwöchige Begehung der Stadt durchzufĂŒhren. Ziel der Zusammenarbeit war es, Konzepte fĂŒr zukĂŒnftige gemeinsame archĂ€ologische Untersuchungen zu entwickeln.

Doclea besitzt eine lange, bereits am Ende des 19. Jahrhunderts beginnende Forschungsgeschichte. Wie fruchtbar eine erneute Betrachtung der antiken Stadt sein kann zeigt ein Neufund: An ein luxuriöses Wohnhaus schlieĂt sich der Hof des von einem frĂŒheren AusgrĂ€ber sog. âZweiten Tempelsâ an. Das DAI-Team entdeckte bei der Begehung ein interessantes Kalksteinfragment. Es ist mit der Reliefdarstellung einer Göttin verziert und vielleicht Teil eines kleinen Weihaltars. Zu erkennen sind der Unterkörper der Göttin in gegĂŒrtetem Gewand und der rechte Arm, dessen Hand einen Speer hĂ€lt. Besonders der Speer deutet auf eine Darstellung der Roma, Minerva oder Diana hin.
Das Fragment fĂŒhrt in Verbindung mit einem seit langem bekannten Giebelrelief zu einer Neuinterpretation des âZweiten Tempelsâ. Die dargestellte Göttin des Giebelreliefs wurde aufgrund des korinthischen Helmes und der Aegis auf der Brust als Minerva oder Roma identifiziert. Obwohl der Fundort unsicher ist, glaubten ArchĂ€ologen bislang, dass das Fragment zum âErsten Tempelâ gehörte und nannten diesen daher âRoma-Tempelâ. Doch ist die GröĂe des Reliefs fĂŒr den âErsten Tempelâ zu klein, passt aber zu den MaĂen des âZweiten Tempelsâ.
Giebelfragment aus Kalkstein mit dem Brustbild der Minerva/Roma in einem Tondo, das dem âZweiten Tempelâ zugewiesen werden kann. Höhe ca. 102 cm. (Foto: A. Oettel, D-DAI-Z-DOC-19-0842) Zeichnerische Rekonstruktion des âMinerva/Roma-Giebelsâ und Grundriss des âZweiten Tempelsâ. (nach Sticotti 1913, 77 Abb. 37) Neufund eines Kalksteinfragments, Höhe ca. 41 cm. (Foto: A. Oettel, D-DAI-Z-DOC-19-082)
Da sowohl das Giebelrelief als auch das neu entdeckte Fragment des Weihaltars auf Roma oder Minerva hindeuten, ist hier von der Verehrung einer der beiden Göttinnen auszugehen. ZusĂ€tzlich ist eine Entstehung des Heiligtums im 1. Jahrhundert n. Chr. wahrscheinlich, da Minerva die besondere WertschĂ€tzung Kaiser Domitians (81 â 96 n. Chr.) genoss.
Dieses Beispiel illustriert das groĂe Potential Docleas als archĂ€ologischer StĂ€tte. Um dieses auszuschöpfen sind weitere archĂ€ologische Untersuchungen geplant. Es sollen geophysikalische Prospektionen und Grabungen erfolgen sowie bereits ausgegrabene GebĂ€ude neu dokumentiert werden. Wie lohnend auch diese BeschĂ€ftigung sein wird, demonstriert die Neuinterpretation des âZweiten Tempelsâ.
Weitere Informationen im aktuellen e-Forschungsbericht: https://publications.dainst.org/journals/index.php/efb/article/view/2321/6945