Die Hundertjährige, die mit dem Alter immer lebendiger wurde.

Vor hundert Jahren begann die archäologische Forschung in China und mit jeder neuen Entdeckung bereichert sie seither unser Bild vom Leben in der Vergangenheit auf dem eurasischen Kontinent. Der erste steinzeitliche Grabungsplatz Yangshao und die nach ihm benannte mittelneolithische Kultur in der Zentralebene sind heute Symbol für die Anfänge und die Reife der prähistorischen Archäologie und auch der internationalen Kooperation.


Startbild: Tonzylinder aus Goupu, Provinz Shanxi, Höhe 18,6 cm, in dem ein Feuer brannte, darauf eine Steinplatte. Solche kleinen Öfen sind mehrfach in Häusern gefunden worden. [Attribution: M. Wagner, Hauptstadt-Museum Peking; Copyright: DAI]

Es ist allgemein bekannt, dass archäologische Feldforschung in China in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann, doch in welchem Jahr genau, darüber gibt es verschiedene Meinungen.  Lange wurde 1928 favorisiert und damit der Beginn der Ausgrabung von Yin (auch: Ruinen von Yin Yinxu, Yin-hsü, ca. 1300-1046 v. Chr.), der letzten Hauptstadt des Königreichs Shang nahe der heutigen Stadt Anyang. Mindestens zwei Gründe machen sie zu einem der folgenreichsten Projekte: erstens, wurde der in Harvard promovierte Grabungsleiter Li Ji (Li Chi) der erste chinesische Archäologe, der in China Feldforschung organisierte, später Lehrer und die Symbolfigur für den Aufbau der Archäologie des Landes. Zweitens, fand man große Mengen von Inschriften auf Tierknochen, Schildkrötenpanzern und Bronzen und mit ihnen den zuverlässigen Beweis für die Historizität der bis dahin nur in lange danach entstandenen Texten genannten und für Mythen gehaltenen frühen Abschnitte der chinesischen Geschichte. So kettete die Ausgrabung von Yinxu die chinesische Archäologie bei ihrer Geburt an die Historiografie weshalb der Studiengang Archäologie lange nicht selbständig, sondern Teil des Geschichtsstudiums an den Universitäten war. Aber es hätte auch ganz anders kommen können.

Schon 1920 erkannte der schwedische Geologe Johan Gunnar Andersson, Beschäftigter des Geologischen Dienstes von China, die polierten Steinbeile, die sein Mitarbeiter Liu Chang-shan aus der Provinz Henan mitgebracht hatte, als Spuren der Steinzeit. Bis zu diesem Zeitpunkt war noch nichts über eine Zivilisation vor den ersten Königreichen bekannt. Deshalb begannen Andersson und seine Kollegen im darauffolgenden Jahr mit Ausgrabungen in der Nähe des Dorfes Yangshao, von deren Bewohnern Liu die Beile erworben hatte. Sie fanden vor allem eine große Menge rotwandiger, mit schwarzen Ornamenten bemalter Keramikgefäße, für die sie den Namen „Yangshao-Kultur“ prägten und damit die erste neolithische Kultur Chinas definierten. Weil es zu diesem Zeitpunkt noch keine anderen Funde dieser Art in China gab, vermutete Andersson eine Herkunft aus West- oder Zentralasien. Doch diese Vermutung wurde in den folgenden Jahrzehnten korrigiert. Heute sind mit dem Begriff „Yangshao“ und dem Jahr 1921 mehrere Anfänge in China verbunden: der prähistorischen Archäologie insgesamt, speziell der Neolithikum-Forschung und auch der internationalen wissenschaftlichen Kooperation.

Bei ihrem hundertsten Geburtstag ist die Yangshao-Kultur zwar nicht mehr Solistin, sondern Teil eines großen Ensembles neolithischer Kulturen in China, doch zweifellos die Primadonna, die bekannteste, die mit der größten räumlichen Breite und zeitlichen Tiefe, vor allem aber inhaltlichen Fülle. Was ist das Geheimnis ihrer erstaunlichen Weite und Lebensdauer von zweitausend Jahren?

Das erfahren Sie in Heft 1-2022 der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“.

Literatur zum Weiterlesen finden Sie schon jetzt hier:
Ausgewählte Literatur zum Thema Yangshao-Kultur

Zum 100-jährigen Jubiläum der chinesischen Archäologie gratulieren wir unseren Kolleg*innen und Partnerinstitutionen:

[Attribution: Mayke Wagner; Copyright: DAI]

Zu diesem Thema mehr in diesen Beiträgen:
Frühe Kulturgeschichte Chinas in Karten
Neueste Ergebnisse zur Entwicklung von Landwirtschaft und Bevölkerung in Ostasien

Autoren: Mayke Wagner, Patrick Wertmann, Pavel E. Tarasov


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