Ohne ihn kein Sushi

In zwei neuen Publikationen zur Archäologie Ostasiens geht es um Reis. Dass er nicht in Japan, sondern in China domestiziert wurde, ist klar. Aber wann die ersten Reissamen und die Kenntnis des Reisanbaus nach Japan gelangten, ob die Inselbewohner sie sofort annahmen, schnell weitergaben und Reis zu ihrem Grundnahrungsmittel machten, darüber gibt es  weit weniger Informationen als Fragen. Wie überall und immer ist die Geschichte komplexer, variantenreicher und weit von einem schlüssigen Endergebnis entfernt. Um uns einen Überblick über die Gesamtdynamik zu verschaffen, haben wir alle 179 verfügbaren Altersbestimmungen von verkohlten Reiskörnen aus Ausgrabungen in Japan und Korea regional und chronologisch sortiert, weitere Körner datiert und das neue Altersmodell mit der Bevölkerungsentwicklung verglichen. An einer Siedlung des 4. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr. in Ost-Japan, Maenakanishi, haben wir uns den Fundzusammenhang von Reis und Hausformen genauer angesehen. Beide Unternehmungen führten zu unerwarteten Ergebnissen und anregenden Hypothesen.


Sushi in Japan: handliche und ästhetische Häppchen mit erlesenen Bestandteilen: Fisch des höchsten Frischegrades und Reis der feinsten Sorte verbunden durch reine Wasabi-Paste. Belegter Reis ist keineswegs so alltäglich wie belegte Brote, es braucht Ausbildung und Erfahrung, um Sushi machen zu können. Ein Meister greift für jedes Stück immer genau gleich viel gekochten Reis aus dem Topf, es heißt, bei den Großen des Fachs ist sogar die Anzahl der Reiskörner in jedem Stück Sushi gleich. Foto: Christian Leipe
 

Die Verbreitung von Reis nach Japan: Einsichten aus der Bayes-Analyse von direkten Radiokarbondaten und der Bevölkerungsdynamik in Ostasien

Der Beginn des Reisanbaus in Japan geht einher mit dem Übergang von der Jomon- zur Yayoi-Kultur zwischen dem 10. und 4. Jh. v. Chr. auf den Inseln Kyushu, Shikoku und Honshu. Im Zentralen Hochland könnte Reis schon im 11. Jh. v. Chr. bekannt gewesen sein als das Gebiet noch von Gruppen der Finalen Jomon-Kultur bewohnt wurde, die den Reis vor allem bei Ritualen verwendeten. Im 9. Jh. v. Chr. erscheint Reis in West-Japan (nördliches Kyushu) und wird von dort schrittweise über Ost-Japan weiterverbreitet. Dieses nichtlineare Verbreitungsmuster ergibt sich vermutlich daraus, dass die Jomon Jäger-Fischer-Sammler-Gruppen in Ost-Japan unterschiedlich schnell die Kulturpraktiken annahmen, die vom eurasischen Festland herüberkamen. Die entscheidenden Antriebsfaktoren für Einwanderung der frühen Reisbauern nach Japan etwa ab 1000 v. Chr. sind wahrscheinlich soziopolitischer Natur. Etwa fünfhundert Jahre zuvor waren sie auf die koreanische Halbinsel vorgedrungen. Vieles deutet darauf hin, dass Transformationen in China die Bewegung ausgelöst hatten: (i) die Ausdehnung des Königreiches Shang nach Osten zwischen 1600 und 1400 v. Chr., (ii) das anschließende Vordringen des Folgestaates Zhou nach dessen Sieg über Shang 1045 v. Chr. und dessen Einrichtung von Satellitenstaaten wie Lu (heutige Provinz Shandong) und Yan (heutiges Beijing), (iii) die Stärkung der Lokalreiche während des frühen 8. Jahrhunderts v. Chr. nachdem agropastorale Gruppen aus den westlichen und nördlichen Steppen das Reichszentrum der Zhou eingenommen und sie geschwächt nach Osten abgedrängt hatten. Die allmähliche Abnahme der Niederschläge seit dem mittleren/späten Holozän an der Nordgrenze des Sommermonsuns, zum Beispiel am Mittellauf des Gelben Flusses, hatte geringere Ernteerträge zur Folge. Das trug wahrscheinlich auch zu der allgemeinen Bevölkerungsdynamik und dem Vordringen der Reisbauern auf die koreanische Halbinsel und nach Japan bei.

Der komplette Artikel steht zum freien Download auf der angegebenen Webseite zur Verfügung:
Leipe, C., Long, T., Wagner, M., Goslar, T., Tarasov, P.E. (2020) The spread of rice to Japan: Insights from Bayesian analysis of direct radiocarbon dates and population dynamics in East Asia. Quaternary Science Reviews 244, 106507. https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2020.106507


Rituelle Praktiken und soziale Organisation am Fundplatz Maenakanishi der Mittleren Yayoi-Kultur in Ost-Japan

Die Freilegung von Teilen der Siedlung Maenakanishi (4. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr.) durch japanische Archäologen und unsere gemeinsame Analyse und Interpretation der Pflanzenreste und Bauten lassen darauf schließen, dass Reis kein Getreide für den täglichen Bedarf aller Gemeindemitglieder war. In den etwa 10-15 m2 kleinen, rechteckig-ovalen Grubenhäusern liegt das Verhältnis der Funde von Reis:Hirse zwischen 0 und 1,18. Zu dieser Siedlung gehörte aber auch ein Pfahlbauhaus von 30-35 m2 Grundfläche, das durch einen Zaun aus Holzstangen von der Ansammlung der kleinen Häuser abgegrenzt war, mehrfach an derselben Stelle neugebaut wurde, und an eine Niederung mit Quellen bis zum Flussufer grenzte. Direkt neben dem erhöhten großen Gebäude und auch im umzäunten Bereich lag ein Grubenhaus, in dem nicht nur insgesamt mehr Getreidekörner gefunden wurden, sondern der Anteil von Reis deutlich höher ist, das Verhältnis Reis:Hirse liegt hier bei 11,52. Nach einem Vergleich mit religiösen Praktiken und deren architektonischen Rahmen im frühhistorischen Japan und China, Wassersymbolik und Ahnenkult, halten wir folgendes Szenario für vorstellbar: Das Areal zwischen Zaun und Flussufer war einer Person von hohem Stand und/oder Ritualen für die Stärkung der sozialen Stratifikation vorbehalten, bei denen Reis und Wasser, möglicherweise die Zubereitung von Reis für Speiseopfer, eine zentrale Rolle spielten. Traditionell wird angenommen, dass soziale Hierarchie während der Yayoi-Zeit allmählich entstanden sei, doch mit diesem frühen Befund erscheint es uns plausibler davon auszugehen, dass die neue gesellschaftliche Struktur mit religiösen und politischen Herrschern von den Einwanderern zusammen mit allen anderen kulturellen und technischen Komponenten ihres Lebensstils wie Kulturpflanzen, neue Keramikgefäßtypen und Metalle vom Kontinent mitgebracht wurde.

Der komplette Artikel steht zum freien Download auf der angegebenen Webseite zur Verfügung:
Leipe, C., Kuramochi, S., Wagner, M., Tarasov, P. E. (2020) Ritual practices and social organisation at the Middle Yayoi culture settlement site of Maenakanishi, eastern Japan. Archaeological and Anthropological Sciences 12, Article number 134 https://doi.org/10.1007/s12520-020-01098-y

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